Empfehlung Dezember 19, Lied: “Wenn da Himml si waß Gott wos traut” Aniada a Noar

DIE LIEDERBESTENLISTE·MONTAG, 25. NOVEMBER 2019·3 MINUTEN
Empfohlen von Harald Justin


Album: Summawind Hoanzl

Liedermacher sind politisch denkende Menschen. So wie Du und ich. Natürlich möchte man die Welt verändern, spürt den Veränderungen in der Welt nach. Und selbstverständlich rettet man die Welt als Liedermacher und politisch denkender Mensch nicht den ganzen Tag lang. Sondern lebt noch nebenbei, rettet sich, natürlich korrekt den Müll trennend und strikt vegan sich ernährend, vom Frühstück hin ins Abendgrauen. Ja, man lebt noch, tanzt, liebt oder genießt den Sommerwind. Aus dieser Prallheit des ganzen Lebens stammt die Musik von Aniada a Noar. Das Trio aus der Steiermark, Österreich, tritt mit Gesang, Flöten, Geigen und Akkordeon an, singt im Dialekt und gehört in ihrer Heimat zu den ganz Großen. Auf der Summawind betitelten aktuellen CD des Trios wird die Liebe zur Ganzheit dieses einen Lebens besungen, und da fällt es schwer, eine Empfehlung für einen der 13 Titel abzugeben. Soll es die ins Steirische übertragene, heimliche kubanische Nationalhymne „Cielito lindo“ sein, hier als „Schwoazbraune Augn“ zu hören? Ein Kandidat wäre auch „Refugees welcome“, allein schon, um ein Signal zu geben und Stellung zu beziehen. Auch „Die Wölt“, ein vom Mastermind Andreas Safer vor dreißig Jahren selbstgeschriebenes, neuvertontes Protestlied wäre, weil es, so Safer, nichts an Aktualität eingebüßt habe, eine Empfehlung wert. Wenn das Primat der Politik die Musik dominieren würde. Wenn … Doch nein, glücklicherweise schöpfen Aniada a Noar aus dem Vollen, ihr Musikleben besteht nämlich zudem aus Walzern, Polkas und anderen Tanzliedern, aus Lobgesängen auf den Sommerwind und Sonnenuntergänge und eben aus einem Liebeslied. Es heißt „Wenn da Himml si waß Gott was traut“. Inspirationsquelle war Bob Dylans „To make you feel my love“, in der Version des Altmeisters war der Song von jedem Kitsch befreit, den der durchaus Text bietet; Adele hat ihn dann über den Kreis der Dylanologen bekannt gemacht und ihm leider auch eine Portion Rührseligkeit verpasst, die wieder hart an der Kitschgrenze schrammt. Bei Aniada A Noars inspirierter Adaption erinnert melodisch nichts mehr an die amerikanische Songperle, nichts mehr an Dylan und Adele. Selbst die Instrumentierung lässt die amerikanischen Folk- und Rocktraditionen des Originals vergessen. Schließlich stammt das von Gästen unterstützte Trio aus der Steiermark und dort öffnen sich die Herzen bei Akkordeon-, Geige- und Flötenklängen. Letztendlich ist ein völlig neues Lied entstanden, das Safer und eine Co-Komponistin als originäre Schöpfer beanspruchen können. „I hob gspiat es is eh lang scho zspot/gwusst es is olls aus n Lot“, heiß es da, und recht gehört und nach mühsamen Entziffern des Dialektgesangs ergibt sich zudem, dass in diesem Liebeslied eher Trauerarbeit über zunehmende Entfremdung in einer Paarbeziehung geleistet wird. Ungeschönt, ohne Kitsch-Gerühre, wird allgemeiner Weltschmerz in den ganz privaten Herzschmerz transformiert. Soviel feinziselierte Arbeit an der Trauer ist eine Empfehlung wert. Allein schon, um der Misere ins Auge sehen zu können.

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